IFBG-Studien (Nr. 15, Dez 2002)
 

Traditionelle Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivate als Gegenstand von Basel II

Betriebswirtschaftliche Implikationen bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen für das Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten

IFBG-Studien (Nr. 15, Dez 2002)

Autoren:

Stephan Jortzik
E-Mail: Stephan@Jortzik.de

Birgit Müller
E-Mail: muellerbirgit@gmx.net


Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis 

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis 

1 Einleitung 

2 Grundlagen und Einführung in Techniken der Kreditrisikominderung als Element des Kreditrisikomanagements von Kreditinstituten 

2.1 Das Kreditrisiko – Definition und Systematisierung 

2.2 Die Aufgaben des Kreditrisikomanagements 

2.3 Die Quantifizierung von Kreditrisiken 

2.3.1 Kreditrisikoquantifizierung mittels externer Ratings 

2.3.2 Kreditrisikoquantifizierung mittels interner Ratings 

2.4 Das Kreditrisiko als Gegenstand bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen 

2.5 Traditionelle Kreditrisikominderungstechniken zur Steuerung von Kreditrisiken 

2.5.1 Sicherheiten und Garantien 

2.5.2 Netting-Vereinbarungen

2.5.3 Asset-Backed-Securities 

2.6 Kreditderivate als innovatives Instrument zur Steuerung von Kreditrisiken 

2.6.1 Begriff und Wesen von Kreditderivaten 

2.6.2 Konstruktionsmerkmale ausgewählter Kreditderivate 

2.6.2.1 Credit Default Swap 

2.6.2.2 Credit Linked Note 

2.6.3 Synthetische ABS-Strukturen 

3 Betriebswirtschaftliche Implikationen gültiger bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen für das Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten 

3.1 Verminderung der Eigenmittel als Motivation der Kreditinstitute zum Einsatz von Kreditrisikominderungstechniken 

3.2 Regulatorische Berücksichtigung traditioneller Kreditrisikominderungstechniken zur Eigenmittelentlastung 

3.2.1 Netting-Vereinbarungen bei außerbilanziellen Geschäften 

3.2.2 ABS-Strukturen 

3.3 Regulatorische Berücksichtigung von Kreditderivaten als innovatives Instrument zur Eigenmittelentlastung 

3.3.1 Voraussetzungen für die Anerkennung der Besicherungswirkung 

3.3.2 Ermittlung der Eigenmittelentlastung 

3.3.2.1 Credit Default Swaps 

3.3.2.2 Credit Linked Notes 

3.3.3 Anwendungsbeispiel - Arbitragekonzept „Promise“ der KfW als Beispiel einer synthetischen CLN-Verbriefung für die Dresdner Bank AG 

3.4 Kritische Würdigung gültiger bankaufsichtsrechtlicher Regelungen und Überleitung zu den Vorschlägen des Baseler Ausschusses zur neuen Eigenkapitalvereinbarung 

4 Betriebswirtschaftliche Implikationen der Neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung für das Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten 

4.1 Die Neue Eigenkapitalvereinbarung des Baseler Ausschusses 

4.1.1 Grundzüge des Zweiten Konsultationspapiers 

4.1.2 Ausweitung anerkennungsfähiger Kreditrisikominderungstechniken 

4.1.3 Grundprinzip der Kreditrisikominderung in der Standardmethode 

4.1.4 Das Grundprinzip der Kreditrisikominderung im IRB-Ansatz 

4.2 Traditionelle Kreditrisikominderungstechniken als Gegenstand der Neuen Eigenkapitalvereinbarung 

4.2.1 Berücksichtigung von Sicherheiten 

4.2.1.1 Grundsätzliche Voraussetzungen 

4.2.1.2 Ermittlung der Eigenmittelentlastung 

4.2.1.3 Kritische Würdigung der vorgeschlagenen Regelungen 

4.2.2 Berücksichtigung von Netting-Vereinbarungen bei bilanziellen Geschäften 

4.2.2.1 Grundsätzliche Voraussetzungen 

4.2.2.2 Ermittlung der Eigenmittelentlastung 

4.2.2.3 Kritische Würdigung der vorgeschlagenen Regelungen 

4.2.3 Berücksichtigung von Garantien 

4.2.4 Berücksichtigung von ABS- Strukturen 

4.2.4.1 Restriktionen in der Anerkennung der Besicherungswirkung 

4.2.4.2 Ermittlung der Eigenmittelentlastung 

4.3 Kreditderivate als Gegenstand der Neuen Eigenkapitalvereinbarung 

4.3.1 Voraussetzungen für die Anerkennung im Anlagebuch 

4.3.2 Ermittlung der Eigenmittelentlastung im Anlagebuch 

4.3.2.1 Ermittlung der Risikogewichte im Standardansatz 

4.3.2.2 Ermittlung der Risikogewichte im IRB-Ansatz 

4.3.3 Ermittlung der Eigenmittelentlastung im Handelsbuch 

4.3.4 Kritische Würdigung der vorgeschlagenen Regelungen 

4.4 Synthetische ABS-Strukturen als Gegenstand der Neuen Eigenkapitalvereinbarung 

4.4.1 Ermittlung der Eigenmittelentlastung 

4.4.2 Kritische Würdigung der vorgeschlagenen Regelungen 

4.5 Eine Kreditrisikominderungstechnik übergreifende Diskussion möglicher Auswirkungen der Neuen Baseler Eigenkapitalverordnung auf das Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten 

4.5.1 Das Problem der Laufzeiteninkongruenz 

4.5.2 Bedeutung einer optimalen Zuordnung der Kreditrisikominderungseffekte 

4.5.3 Konvergenz zwischen der bankbetrieblichen Quantifizierung einer Kreditrisikominderung und der aufsichtsrechtlichen Erfassung 

5 Zusammenfassung 

Anlagenverzeichnis 

Literaturverzeichnis


Einleitung

Im Januar letzten Jahres wurde das Zweite Konsultationspapier der Neuen Eigenkapitalverordnung des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel II) veröffentlicht. Seit diesem Zeitpunkt stehen Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft mit dem Baseler Ausschuss in einem Konsultationsprozess über dessen Bestimmungen respektive Auswirkungen sowie mögliche Modifikationen des Regelwerkes. Auch bezüglich der vorgesehenen Regelungen zu traditionellen Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivaten zeigte sich bei der Veröffentlichung von Basel II ein hoher Konsultationsbedarf. Wesentliche Regelungen waren teilweise starker Kritik ausgesetzt.

Das Kreditgeschäft von Banken befindet sich in Deutschland in einer strukturellen Krise. Ein wesentlicher Grund für diese Situation ist die Konjunkturschwäche Deutschlands und der damit einhergehende Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Dieses führt allgemein zu höheren Kreditrisiken in den Kreditportfolios der Banken. Mit Hilfe von traditionellen Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivaten ist es möglich, Kreditrisiken effektiv zu vermindern. Damit haben Kreditrisikominderungstechniken auf der einen Seite eine hohe ökonomische Bedeutung. Auf der anderen Seite finden diese durch die Neue Eigenkapitalvereinbarung eine stärkere Berücksichtigung in bankaufsichtsrechtlicher Hinsicht bei der Berechnung des regulatorischen Eigenkapitals.

Im Rahmen dieser Studie werden die traditionellen Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivate als Gegenstand von Basel II untersucht. Im Mittelpunkt stehen betriebswirtschaftliche Implikationen bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen auf das Kreditrisikomanagement von Kreditinstituten. Besondere Berücksichtigung finden dabei die veränderten regulatorischen Rahmenbedingungen durch die Neue Eigenkapitalvereinbarung. Ausgehend vom Ziel einer risikogerechteren Ausgestaltung der neuen Regeln zur Eigenmittelunterlegung wird untersucht, inwiefern die tatsächlichen ökonomischen Kreditrisikominderungseffekte in der regulatorischen Eigenkapitalbedarfsrechnung abgebildet werden. Folglich ist ein wesentlicher Teilbereich der Studie, den Grad der Zielerreichung kritisch zu würdigen.

In Kapitel 2 erfolgt zunächst eine genaue Definition der Begriffe „Kreditrisiko“ sowie „Kreditrisikomanagement“. Im Anschluss daran wird die Bedeutung des Kreditrisikos im Zusammenhang bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen dargestellt. Darauf aufbauend werden die traditionellen Kreditrisikominderungstechniken sowie ausgewählte Kreditderivatstrukturen beschrieben, welche zur Minderung von regulatorischem Eigenkapital entsprechend der Regelungen von Basel II vorgesehen sind.

Kapitel 3 gibt einen Überblick zu den gültigen bankaufsichtsrechtlichen Regulierungen bezüglich traditioneller Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivaten auf nationaler Ebene. Dieser ist notwendig, um Veränderungen vom gültigen Bankenaufsichtsrecht im Verhältnis zu den Neuregelungen von Basel II im Folgenden besser darstellen zu können. Exemplarisch werden die betriebswirtschaftlichen Implikationen gültiger bankaufsichtsrechtlicher Regulierungen am Beispiel einer synthetischen ABS-Struktur aufgezeigt. Insbesondere die dabei aufgedeckten Arbitragemöglichkeiten bezüglich des regulatorischen Eigenkapitals verdeutlichen die Notwendigkeit einer genaueren Erfassung ökonomischer Kreditrisiken durch aufsichtsrechtliche Eigenkapitalvorschriften.

Die veränderten Regelungen von Basel II zu den traditionellen Kreditrisikominderungstechniken und Kreditderivaten sind Gegenstand des 4. Kapitels. Zunächst erfolgt für jede Technik eine Auflistung der Voraussetzungen für die Besicherungswirkung. Eine Darstellung der grundsätzlichen Vorgehensweise bei der Berücksichtigung von Kreditrisikominderungstechniken zur Ermittlung des regulatorischen Eigenkapitals bildet die Grundlage für die anschließende Betrachtung der einzelnen Techniken. Eine kritische Würdigung der vorgeschlagenen Regelungen vervollständigt die Untersuchung der einzelnen Techniken. Das Kapitel schließt mit einer Kreditrisikominderungstechnik übergreifenden Diskussion ausgewählter Aspekte der Baseler Neuregelungen.

Die Studie endet in Kapitel 5 mit einer Zusammenfassung der Möglichkeiten und Grenzen der einzelnen Techniken und einer abschließenden Einschätzung der Auswirkungen von Basel II auf das Kreditrisikomanagement von Banken. In einem Ausblick wird auf die Fortführung des andauernden Konsultationsprozesses bezüglich der Kreditrisikominderungstechniken sowie auf notwendige Weiterentwicklungen eingegangen.


Schlußbetrachtung

Die Veröffentlichung der zwei Konsultationspapiere zur Neuen Baseler Eigenkapitalverordnung (Basel II) durch den Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht stellt einen bedeutenden Schritt hin zu einer risikogerechteren Ermittlung aufsichtsrechtlich vorzuhaltender Eigenmittel zur Unterlegung von Markt- und Kreditrisiken dar. Die regelmäßige Veröffentlichung von potentiellen Modifikationen zeigt, dass nach wie vor um eine endgültige Fassung der Neuregelung gerungen wird. Dieser Prozess wird von einer regen Diskussion zwischen Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft begleitet. Dabei stehen häufig die Risikogewichte im Mittelpunkt. Als nicht weniger bedeutsam für das Risikomanagement und die Preispolitik von Kreditinstituten erweist sich die aufsichtsrechtliche Behandlung von Instrumenten zur Kreditrisikominderung.

Es wurde gezeigt, dass die derzeitig noch gültigen Regelungen des Baseler Accords (Basel I) und dessen Umsetzung auf nationaler Ebene (KWG und Grundsatz I) die ökonomischen Kreditrisikominderungseffekte einer Vielzahl von kreditgewerblich eingesetzten Instrumenten entweder nur unzureichend genau abbilden oder bei der Ermittlung der Eigenmittel nicht einbeziehen. Demnach gelten Garantien von Nicht-OECD-Staaten sowie Unternehmen und Versicherungen als aufsichtsrechtlich nicht Kreditrisiko mindernd. Die Kreditrisiko mindernde Wirkung von OECD-Staatsgarantien werden aufgrund eines einheitlichen Risikogewichtes von 0% verzerrt abgebildet. Neuere Formen des Kreditrisikomanagements wie Kreditderivate fanden erst durch nationale Regelungen aufsichtsrechtliche Anerkennung. Fehlende einheitliche, internationale Regelungen verhelfen den Kreditinstituten, insbesondere durch die Verbindung von Kreditderivaten und Verbriefungsstrukturen, zur Senkung der vorzuhaltenden Eigenmittel, ohne das Kreditrisiko ökonomisch zu verringern. Am Beispiel der „PROMISE“-Struktur der KfW wurde exemplarisch gezeigt, wie synthetische CLN-Verbriefungen durch die Verwendung des Instruments der begrenzten Zinsunterbeteiligung zur Eigenmittelarbitrage verwendet werden können.

Die neuen Vorschläge des Baseler Ausschusses zur aufsichtsrechtlichen Behandlung von Kreditrisiko mindernden Instrumenten führen zu einer Angleichung der regulatorisch vorzuhaltenden Eigenmittel und dem ökonomisch notwendigen Eigenkapital für risikobehaftete Kredite. Jedoch werden Institute, die den IRB-Ansatz verwenden, künftig Risikogewichte nach Maßgabe der Ausfallwahrscheinlichkeit nicht nur für die eigenen Engagements sondern auch für die Sicherungsinstrumente zu ermitteln haben. Der Erfolg der praktischen Umsetzung mit Blick auf die Datenermittlung bleibt abzuwarten.

Erstmals werden Sicherheiten und Garantien im breiten Umfang aufsichtsrechtlich anerkannt. Neben finanziellen Sicherheiten gelten auch physische Sicherheiten als Risiko mindernd. Wie gezeigt wurde, bleibt die Eigenmittelentlastung dabei jedoch begrenzt. Das kann zum einen zu einer ökonomischen Übersicherung und zum anderen zu Verzerrungen in der Preispolitik führen. Zusätzliche Sicherheiten sollten immer zu einer zusätzlichen Eigenmittelentlastung führen. Weiterhin finden bilanzielle Netting-Vereinbarungen aufsichtsrechtliche Anerkennung. Problematisch bleibt jedoch, dass jeder einzelnen Netting-Vereinbarung ein einzelner Kredit eindeutig zugeordnet werden muss. Dies trifft vor allem die in der Kreditwirtschaft üblichen Master Netting Agreements. Für Kreditderivate werden erstmals international-einheitliche Vereinbarungen die nationalen Übergangsregeln ersetzen. Die Beschränkung auf CDSs, CLNs und TRSs hinsichtlich des sich noch entwickelnden Marktes für Kreditderivate in Kontinentaleuropa ist zu kritisieren. Basket- und Indexstrukturen werden nach dem derzeitigen Diskussionsstand keinen Eingang in die Neue Vereinbarung finden. Aus aufsichtsrechtlicher Sicht sind insgesamt die Vorschläge zur Behandlung von ABS-Strukturen zu begrüßen. Die Möglichkeiten zur Eigenmittelarbitrage werden stark eingeschränkt. Die Kreditrisiken der einzelnen Tranchen werden genauer erfasst. Das wird allerdings erst durch ein komplexes Regelwerk erreicht. Insbesondere die vorgesehenen ABS-Scaling Faktoren des RBA-Ansatzes zur Ermittlung der ABS-Risikogewichte, müssen in den kommenden Monaten noch verstärkt diskutiert werden. Darüber hinaus bedarf die Supervisory-Formel im SFA-Ansatz einer besseren Kommunikation durch den Baseler Ausschuss. Die Auswirkungen der Tranchenparameter „Thickness“ und „Credit Enhancement Level“ auf das Kreditrisiko und die adäquate Abbildung durch die Supervisory-Formel sind zu untersuchen. Da die Motive vieler Kreditinstitute zur Durchführung von (synthetischen) ABS-Strukturen regulatorisch begründet sind, bleibt zu befürchten, dass sich dieser Markt zukünftig stark verkleinern wird.

Basel II ist ein bedeutender Schritt zur risikogerechteren Gestaltung der aufsichtsrechtlichen Regulierung der Kreditrisiko mindernden Instrumente. Dennoch existiert noch erheblicher Konsultationsbedarf insbesondere bez. der ABS. Nach wiederholten Terminverschiebungen könnte eine bankenaufsichtsrechtliche Neuordnung auf EU-Ebene dem Baseler Ausschuss zuvorkommen. Für die ABS könnten die Entwürfe des ESCF dabei wegweisend sein. „Bei aller Notwendigkeit, in Einzelpunkten Verbesserungen zu erreichen, gibt es zu einer risikogerechten Eigenmittelunterlegung [jedoch] keine Alternative…Ein Aufschieben der Reform oder gar die Abkopplung Europas wäre nicht ungefährlich.“