IFBG-Studien (Nr. 12, Nov 1999)
 

Zur arbitragefreien Bewertung von Volatilitätsfutures

Theoretische und empirische Analysen anhand des VOLAX

IFBG-Studien (Nr. 12, Nov 1999)

Autoren:

Jonny Holst
E-Mail: ---

Stephan Jortzik
E-Mail: Stephan@Jortzik.de


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Symbolverzeichnis

1 Einleitung

2 Volatilitätsstrukturkurven

2.1 Die Bedeutung der Volatilität für das Black/Scholes-Optionspreismodell

2.2 Die Zeitstruktur der Volatilität

2.3 Implizite Volatilitäten und Smile-Effekte

3 Volatilitätsindizes und -Future der damaligen Deutsche Börse AG

3.1 Die Volatilitätssubindizes

3.2 Der VDAX als laufzeitunabhängiges Volatilitätsbarometer

3.3 Der VOLAX-Future als Instrument zum Handeln und Hedgen des Vega-Risikos

4 Zur Arbitrage und Bewertung des VOLAX-Futures

4.1 Der rechnerisch faire Wert des VOLAX-Futures in perfekten Kapitalmärkten

4.2 Die Duplikation der Eigenschaften des VOLAX-Futures als Voraussetzung für ein Arbitrage-Modell

4.3 Die Arbitrage des VOLAX-Futures in einer idealisierten Welt

4.3.1 Die Annahmen zur Ableitung des Replikationsportfolios

4.3.2 Die Bestimmung des Vega-Replikationsportfolios

4.3.3 Die Risiken des Vega-Replikationsportfolios

4.3.3.1 Vorüberlegungen

4.3.3.2 Das Delta-Risiko des Vega-Replikationsportfolios

4.3.3.3 Das Gamma-Risiko des delta-neutral gehedgten Vega-Replikationsportfolios

4.3.3.4 Das Theta-Risiko des delta-neutral gehedgten Vega-Replikationsportfolios

4.3.3.5 Das Rho-Risiko des delta-neutral gehedgten Vega-Replikationsportfolios

4.3.4 Die dynamische Replikation des VOLAX-Futures

4.3.4.1 Zur Notwendigkeit der dynamischen Replikation des VOLAX-Futures

4.3.4.2 Die Roll-over-Strategie

4.3.4.3 Die Keep-strike-Strategie

4.3.4.4 Die Adjust-strike-Strategie

4.3.5 Eine arbitragefreie Bewertung des VOLAX-Futures mit dem Cost-of-carry-Modell bei Verwendung der Roll-over-Strategie

4.3.5.1 Vorüberlegungen

4.3.5.2 Die Zahlungsströme bei Aufbau der VOLAX-Arbitrageposition

4.3.5.3 Die Zahlungsströme während des Arbitrageprozesses

4.3.5.3.1 Der Zahlungsstrom des VOLAX-Futures

4.3.5.3.2 Der Zahlungsstrom des Replikationsportfolios

4.3.5.3.3 Der Zahlungsstrom der Geldmarktposition

4.3.5.4 Die Zahlungsströme bei Auflösung des Arbitrageportfolios

4.3.5.5 Die Arbitragegewinnfunktion

4.3.5.6 Zur Möglichkeit einer Überkompensation eines vermeintlichen Arbitragegewinns bei großen Ungleichgewichten über einen längeren Zeitraum

4.4 Die Arbitrage des VOLAX-Futures in einer realistischen Welt

4.4.1 Eine Diskussion ausgewählter zur Ableitung des Vega-Replikationsportfolios getroffener Prämissen

4.4.1.1 Der perfekte Kapitalmarkt

4.4.1.2 Kontinuierlicher Wertverlauf des DAX

4.4.1.3 Normalverteilung der DAX-Renditen

4.4.2 Die dynamische Replikation des VOLAX-Futures bei schrittweiser Vernachlässigung einzelner zur Ableitung des Vega-Replikationsportfolios getroffener Prämissen unter Verwendung der Roll-over-Strategie

4.4.3 Der empirische Preis des VOLAX-Futures im Vergleich zum fairen Wert

5 Schlußbetrachtung

Anlagenverzeichnis

Literaturverzeichnis


Einleitung

Seit der Veröffentlichung des gemeinsam von Fischer Black und Myron Scholes entwickelten Modells zur Optionspreisberechnung ist der enorme Einfluß der Größe Volatilität, welche die Renditenschwankungen des Optionsbasiswertes beschreibt, bekannt. Kauft beispielsweise ein Händler vormittags bei einem DAX-Kurs von 5600, einem Zinssatz von 3,4% und einer Volatilität von 14% einen DAX-Call mit einem Basispreis von 5600 und einer Laufzeit von 30 Tagen, erhält er die Option zu dem rechnerisch fairen Wert von 98,16 DM. Am Nachmittag sind alle Marktparameter unverändert, lediglich die Volatilität ist auf 12% abgesunken. Der Wert des Calls sinkt dadurch auf 85,32 DM, ein Verlust von 13,08% innerhalb weniger Stunden. Mit dem VOLAX-Future führte die Deutsche Terminbörse (DTB) zum 19.01.1998 als erste Börse der Welt einen Future ein, mit dem dieses Risiko einer Volatilitätsänderung handelbar gemacht werden sollte.

Trotz anfänglicher Euphorie wurde der Handel des VOLAX-Futures mangels Umsatz am 21.12.98 aufgehoben. Weltweit gibt es zur Zeit keinen Future, mit dem man direkt auf Volatilitätsentwicklungen spekulieren oder sich gegen Volatilitätsrisiken hedgen kann. Die These, daß ein Derivat, für das es eine akzeptierte arbitrage- und damit präferenzfreie Bewertung gibt, sich am Markt eher durchsetzt als ein Derivat ohne eine derartige Bewertungsmöglichkeit, dient als Leitidee dieser Studie.

Futures werden üblicherweise nach dem Cost-of-carry-Ansatz bewertet. Der Grundgedanke der Bewertuung besteht darin, daß ein Marktteilnehmer zwischen zwei Kaufalternativen mit gleichem Ergebnis wählen kann; in beiden Fällen ist der Investor zur Fälligkeit des Futures im Besitz des Basisgutes (auch als Underlying bezeichnet):

  1. Kauf des zugrundeliegenden Kassatitels und
  2. Kauf des Futures.

Es ist genau dann vorteilhaft, den Future bei gleichzeitigem Kauf des Basisgutes zu verkaufen, wenn der Futurepreis den Preis des Basisgutes um mehr als die Bestandshalte- bzw. die Lagerungskosten des Basisgutes übersteigt. Man muß also beim Kauf des Basisgutes zusätzlich berücksichtigen, daß die Lagerung des Basisgutes Kosten verursacht, die sog. Cost-of-Carry. Diese Kosten beinhalten zum einen die Nettofinanzierungskosten (Finanzierungskosten abzüglich eventueller Erträge aus dem Basisgut wie z.B. Zinsen oder Dividenden), da im Gegensatz zum Future der Kauf des Basisgutes bereits zum aktuellen Zeitpunkt Zahlungen auslöst. Zum anderen fallen insbesondere bei Commodity-Futures (z.B. Futures auf Rohstoffe oder landwirtschaftliche Produkte) weitere Kosten einer Lagerhaltung im engsten Sinne des Wortes an.

Ein Future auf Volatilitäten entzieht sich augenscheinlich diesem Bewertungsansatz, da man Volatilität weder lagern noch als Kassatitel handeln kann. Am VOLAX-Future wird beispielhaft untersucht, ob trotzdem ein Arbitragemechanismus theoretisch und auch in der Realität existiert, um sicherzustellen, daß ein Volatilitätsfuture fair bewertet oder zumindest in der Nähe seines rechnerisch fairen Wertes gehandelt wird, um somit seine Einsatzfähigkeit als Instrument zum Handeln und Hedgen von Volatilitätsänderungen zu gewährleisten.

Dazu wird zunächst, ausgehend von der Definition der Größe Volatilität i.S.v. Black und Scholes, gezeigt, daß, entgegen den Black/Scholes-Modellannahmen, die Volatilität keine Konstante darstellt. Vielmehr läßt sich in Abhängigkeit von der Optionsrestlaufzeit und vom Basispreis beobachten, daß Optionen mit unterschiedlichen impliziten Volatilitäten nach dem Black/Scholes-Modell gehandelt werden und Volatilitätsstrukturkurven ermittelbar sind (2. Abschnitt).

Mit einem Volatilitätsfuture soll man sich eine in der heutigen Volatilitätsstrukturkurve enthaltene Forwardvolatilität sichern können. Da die Analysen zu Möglichkeiten und Grenzen einer arbitragefreien Bewertung solch einer Forwardvolatilität anhand des VOLAX-Futures vorgenommen werden, müssen hierzu vorweg Volatilitätsindizes und -Future der damaligen Deutsche Börse AG (heute EUREX) erläutert werden (3. Abschnitt).

Der Schwerpunkt dieser Studie behandelt Bewertungs- und Arbitragemechanismen des VOLAX-Futures (4. Abschnitt). Dazu wird zunächst der rechnerisch faire Wert des VOLAX-Futures herausgearbeitet. Um den Aufgaben eines Instruments zum Handeln und Hedgen von Volatilitätsänderungen gerecht zu werden, muß es bei Abweichungen von diesem rechnerisch fairen Wert möglich sein, den VOLAX-Future durch Arbitragegeschäfte zurück zum fairen Wert zu führen. Da das Underlying des VOLAX-Futures nicht handelbar ist, kann nicht auf das Cost-of-carry-Modell zurückgegriffen werden.

Schließlich wird mit empirischen Daten von 1998 untersucht, inwieweit der vorgeschlagene Arbitragemechanismus unter realen Bedingungen geeignet ist, um sicherzustellen, daß der VOLAX-Future mit seinem rechnerisch fairen Wert oder zumindest in der Nähe seines rechnerisch fairen Wertes gehandelt wird. Dazu werden die zur Ableitung des Replikationsportfolios getroffenen Annahmen schrittweise aufgehoben und die damit verbundenen Auswirkungen auf das Verhalten des Replikationsportfolios beobachtet und diskutiert.


Schlußbetrachtung

Am 19.01.1998 führte die Deutsche Terminbörse als erste Börse der Welt ein Derivat ein, mit dem es möglich sein sollte, das Risiko einer Änderung der Volatilität zu handeln. Speziell Market-Makern sollte es damit erlaubt sein, ihre Optionsportfeuilles zusätzlich zu Kurs- und Zinsrisiken auch gegen Volatilitätsrisiken abzusichern.

Die Abhängigkeit der Impliziten Volatilität von der Optionsrestlaufzeit wird als Zeitstruktur bezeichnet. Aus einer Optionsserie mit unterschiedlichen Optionsrestlaufzeiten läßt sich eine Volatilitätsstrukturkurve ableiten. Aufgrund der aufgezeigten Smile- bzw. Skew-Problematik gilt die Volatilitätsstrukturkurve jedoch nur für eine spezifische Basispreis-Kassakurs-Relation. Aus der Volatilitätskurve lassen sich Forwardvolatilitäten ermitteln, die man sich mit Volatilitätsfutures sichern kann. Der rechnerisch faire Wert eines Volatilitätsfutures ergibt sich aus dieser Forwardvolatilität multipliziert mit dem Kontrakwert.

Eine wesentliche Voraussetzung eines Derivates ist dessen Arbitrierbarkeit. Ohne eine solche Möglichkeit ist nicht sichergestellt, daß das Derivat zumindest in der Nähe seines theoretisch fairen Preises gehandelt wird. Volatilitätsfutures unterscheiden sich von "herkömmlichen" Future-Kontrakten dadurch, daß deren Underlying nicht handelbar ist und somit keinen Preis besitzt. Damit läßt sich das sonst für Future übliche Cost-of-carry-Modell zu Bewertungs- und Arbitragezwecken nicht ohne Modifikationen heranziehen.

Anhand des VOLAX-Futures läßt sich zeigen, daß ein Replikationsportfolio aus At-the-money-Straddles aufgebaut werden kann, das in infinitesimal kleinen Zeitintervallen exakt denselben Preisveränderungen unterliegt wie der fair bewertete VOLAX-Future selbst. Arbitragegeschäfte werden insofern möglich, als daß eine risikolose Position aus dem VOLAX-Future und dem Replikationsportfolio den Arbitrageur in die Lage versetzt, einen risikolosen Gewinn aus den durch die Fehlbewertung hervorgerufenen Preisveränderungsdifferenzen zwischen dem VOLAX-Future und dem Replikationsportfolio zu erzielen. Es sei hier noch einmal hervorgehoben, daß nicht auf den absoluten Wert der Replikation abgestellt wird. Die Replikation weist nicht den Zahlungsstrom des VOLAX-Futures auf.

Der Erfolg der Arbitrage ist an strenge Prämissen geknüpft. Da die Replikation ausschließlich von der Impliziten Forwardvolatilität abhängen darf, muß sie delta-, gamma-, theta- und rho-neutral sein. Es wurde gezeigt, daß die Replikation diese Eigenschaften nur bei Existenz einer sowohl im Zeitablauf konstanten horizontalen Zinsstruktur als auch einer horizontalen Zeitstruktur der Volatilität aufweist. Weiterhin müssen die Prämissen von Black/Scholes erfüllt sein, da die Analyse der Replikation hinsichtlich ihrer Delta-, Gamma-, Theta- und Rho-Neutralität mit dem Black/Scholes-Optionspreismodell durchgeführt wurde. Da die Replikation dynamisch adjustiert werden muß, ist darüber hinaus von einem perfekten Kapitalmarkt auszugehen. Hierbei ist vor allem die Annahme der nicht existierenden Transaktionskosten von Bedeutung. Zur Senkung der Transaktionskosten in unvollkommenen Kapitalmärkten wurden die Keep-strike- und die Adjust-strike-Strategie diskutiert.

Um die Anwendbarkeit des theoretisch abgeleiteten Replikationsportfolios für Arbitragezwecke zu prüfen, wurden unter Verwendung von empirischen Daten die Preisänderungen des fair bewerteten VOLAX-Futures mit Verfall im September 1998 den Preisänderungen des entsprechenden Replikationsportfolios im Zeitablauf gegenübergestellt. Ein für die Arbitrage notwendiger linearer Zusammenhang zwischen beiden Zeitreihen konnte nicht festgestellt werden. Die damit fehlende Möglichkeit, den VOLAX-Future zu arbitrieren, spiegelte sich in den zum Teil erheblichen Differenzen zwischen den empirischen und den fairen VOLAX-Preisen wider.

Es bleibt festzuhalten, daß für Volatilitätsfuture wie dem VOLAX-Future noch kein praktikabler Bewertungs- und Arbitrageansatz existiert. Es bedarf daher weiterer Forschungen, um mit einem Volatilitätsfuture zur Vervollkommnung der Kapitalmärkte beizutragen.